Corona-Impfpflicht: Ist das in Deutschland überhaupt rechtlich möglich?

Gesundheitsgefahr versus Grundrechtseingriff: Udo Di Fabio, früherer Richter am Bundesverfassungsgericht, zeigt die Schwierigkeiten der Impf-Debatte auf.

Frankfurt – In Politik und Gesellschaft wird kontrovers bis erbittert über die Impfpflicht diskutiert. Die einen sagen: Soll der Staat sie doch endlich anordnen und alle durchimpfen. Andere pochen auf die körperliche Unversehrtheit und sehen eine Impfflicht als nicht verfassungsgemäß an. Was sagt ein Staatsrechtler dazu? Zu diesem Thema hielt der Juraprofessor der Universität Bonn und frühere Richter des Bundesverfassungsgerichts Udo Di Fabio auf Einladung des Vereins „House of Pharma & Healthcare“ in Frankfurt einen Online-Vortrag.

Erwartungen an einfache Antworten und klare Empfehlungen erfüllte Di Fabio nicht. Vielmehr zeigte er auf, wie komplex das Thema auch aus rechtlicher Sicht ist – und wie oft der Zusatz „Wenn, dann“ einem uneingeschränkten Ja oder Nein im Wege steht. Das gilt für seine Ausführungen zu einer allgemeinen Impfpflicht und einer ebenfalls im Raum stehenden Impfpflicht für über 50-Jährige gleichermaßen.

Als grundlegend für eine Entscheidung pro Impfpflicht sieht Di Fabio das Vorliegen „legitimer Gründe“ an

Gleichheitsgrundsatz: Gegen dieses Prinzip, betonte der renommierte Jurist, verstoße eine Impfpflicht für bestimmte Altersgruppen nicht. Denn Ältere tragen das Hauptrisiko für einen schweren Covid-Verlauf.

Gleich, ob sie nun für alle Erwachsenen oder nur für bestimmte Altersgruppen geplant wird: „Die Impfung ist ein rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff“, sagt Udo Di Fabio. Als grundlegend für eine Entscheidung pro Impfpflicht sieht er das Vorliegen „legitimer Gründe“ an: „Droht eine Gesundheitsgefahr von so großem Gewicht, dass die Impfpflicht zu rechtfertigen oder sogar geboten ist?“ Eine Gesundheitsgefahr könnten sehr viele schwer an Covid erkrankte Menschen und eine Überlastung der Kliniken sein.

Udo Di Fabio: „Impfpflicht stellt einen intensiven Grundrechtseingriff dar“

Recht auf körperliche Unversehrtheit: Sie sei einer der höchsten Werte der Verfassung, wie der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichtes sagt. Deshalb steht sie einer Impfpflicht entgegen. Di Fabio bewertet den Eingriff, den eine Impfflicht in dieses Grundrecht darstellen würde, als durchaus schwer. Eine Impfung verändere den Körper – unabhängig davon, dass sie etwas Positives bewirken soll. Denn körperliche Unversehrtheit bedeutet laut Udo Di Fabio, dass sich der Körper eines Menschen in einem Zustand befindet, wie dieser Mensch ihn eben haben will. Die Impfung verändere das durch den Einstich der Spritze und den injizierten Wirkstoff.

Ins Gewicht fallen laut Di Fabio aber nicht allein körperliche Reaktionen, sondern auch die Auswirkungen auf die Psyche: „Man muss auch darauf achten, was Menschen dabei empfinden. Einige entwickeln eine starke Abneigung oder Furcht.“ Das könne zu heftigen Reaktionen führen. Di Fabios Fazit: „Eine Impfpflicht stellt einen intensiven Grundrechtseingriff dar.“ Der Staat brauche deshalb „gute Gründe“.

Einer lautet, dass die Impfung Menschen vor schweren Krankheitsverläufen oder dem Tod schützt. Ein anderer wäre die früher oft, heute kaum noch angeführte Herdenimmunität als Ziel. Global gesehen könnte diese bestenfalls dazu führen, dass das Virus ausgerottet würde – so wie es mit den Pocken geschah. In Deutschland wurde die Pocken-Impfpflicht 1874 eingeführt (auch damals gab es heftigen Protest) und 1983 aufgehoben, weil die Erkrankung weltweit verschwunden war. Doch anders als im Fall von Covid schützte die Pockenimpfung mit einem Lebendvakzin viele Jahre vor einer Infektion und vermutlich lebenslang vor einem schweren Verlauf. „Bei Corona ist es schwieriger“, sagt Udo Di Fabio. Die „volle Schutzwirkung“ – also auch die vor Infektion – gehe bereits nach einigen Monaten und damit „relativ schnell“ deutlich zurück, eine vierte Impfung werde bereits diskutiert…

Quelle: Weiterlesen: https://www.fr.de/politik/impfpflicht-corona-covid-impfung-udo-di-fabio-grundgesetz-gesundheit-91235481.html

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