Die Netzaktivistin Lilith Wittmann ist hier Mitlesenden inzwischen schon mehrfach über den Weg gelaufen. Im vergangenen August rasselte Wittmann mit der CDU aneinander. Nachdem die Fachinformatikerin Schwachstellen in den offiziellen Apps der Christlich Demokratischen Union entdeckt hatte, ging die Partei zum Angriff über und stellte trotz freundlichen Hinweisen auf die Datenschutz-Missstände Anzeige gegen die Hackerin.
Im Herbst machte sich Wittmann dann an der ID Wallet-Applikation der damaligen Bundesregierung zu schaffen und zeigte, dass die offizielle Anwendung zum Mitführen von digitalem Personalausweis und digitalem Führerschein angreifbar und alles andere als Sicher war. Nach einem miserablen Debüt verschwand die ID Wallet-Applikation daraufhin aus dem App Store und ist bis heute nicht in diesen zurückgekehrt.
Spektakuläre Recherche
Jetzt hat sich Lilith Wittmann mit einer spektakulären Recherche zurückgemeldet, die diesmal zwar nicht mit iPhone-Anwendungen des App Stores zu tun hat, dafür aber die von Apple angebotenen AirTag-Sachenfinder bemüht, um aufzudecken was es mit der vermeintlichen Bundesbehörde „Bundesservice Telekommunikation“ auf sich hat.
Den durch und durch lesenswerten Bericht hat Wittmann unter der Überschrift Wittmann „Bundesservice Telekommunikation — enttarnt: Dieser Geheimdienst steckt dahinter“ in ihrem Medium-Blog veröffentlicht und durch ihre Veröffentlichungen auch für mehrere Fragen in der Bundespressekonferenz gesorgt, die die anwesenden Vertreter des Bundesinnenministeriums deutlich aus dem Tritt gebracht haben.
Der ominöse #BundesserviceTelekommunikation gehört nicht zum „Geschäftsbereich der Bundesregierung“. Man hat damit also GAR NIX zu tun, ok? Ob’s eine Tarnorganisation des Verfassungsschutzes ist, will man uns aber nicht verraten. Grund: weil man es nicht öffentlich verraten muss. pic.twitter.com/MupV788L7m
— Tilo Jung (@TiloJung) January 24, 2022
Herausfinden wo die Post landet
Apples AirTags kamen im letzten Abschnitt der Posse zum Einsatz und sollten für eine geografische Verortung der im Bericht aufgeführten Tarnbehörden sorgen. Die zu klärende Frage: sind das BMI Köln und das BMI Treptow Tarnbehörden des Verfassungsschutzes?
Aber es fehlt noch der letzte Beweis, denn von den Mitarbeiter*innen, mit denen ich sprach, wurde ja immer abgestritten, dass sie Teil des Verfassungsschutzes sind. Ein guter Indikator wäre zum Beispiel, wenn wir wüssten, dass die Post für das “BMI Köln” auch tatsächlich beim Verfassungsschutz landet.
Nachvollziehen, wo Post landet. Das geht entweder mit sehr viel manueller Recherche. Oder man verschickt einfach ein kleines Gerät, das regelmäßig seine aktuelle Position übermittelt (ein sogenannter Airtag). Und schaut, wo dieser landet. Also eine “Reisezeitung” — Norwegen mögen die beim Verfassungsschutz bestimmt — mit passender Dicke zerschnippelt, Peilsender eingebaut und ab in den Briefkasten.
[…] Und tatsächlich, wenig später — pünktlich um 8:30 Uhr morgens — taucht der Brief beim Verfassungsschutz in Köln auf.
Quelle: Weiterlesen: https://www.iphone-ticker.de/spektakulaere-recherche-airtag-deckt-tarnbehoerde-auf-185312
Vor einigen Tagen habe ich darüber berichtet, wie ich versehentlich über eine Bundesbehörde gestolpert bin, die es eigentlich gar nicht gibt. Den Bundesservice Telekommunikation. Ich war mir sicher, ich habe die Tarnbehörde eines Geheimdiensts entdeckt. Nur eine Tarnbehörde welcher der vielen Geheimdienste ist es? Ich glaube, das habe ich jetzt herausgefunden. Und noch so viel mehr.
Zur Erinnerung: Ich bin im Verzeichnis der Bundesbehörden über einen mindestens 10 Jahre alten Eintrag zu einem “Bundesservice Telekommunikation” gestolpert. Eine Institution, über die quasi nichts herauszufinden war. Weder über das Internet noch durch herumfragen in der Bundesverwaltung oder über eine offizielle Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Sie verfügt aber über Büroräume an einer Adresse in Berlin-Treptow und hat seit einigen Wochen sogar eine funktionierende E-Mail-Adresse.
Das kam mir alles so komisch vor, dass ich vorletzte Woche einen Artikel darüber schrieb. Davon erhoffte ich mir, mehr Hinweise zu bekommen und so herauszufinden, wer hinter dem ominösen Bundesservice steckt.
Hinweise auswerten
Nach der Veröffentlichung des Artikels meldeten sich viele Menschen bei mir. Sehr viele. Mit noch mehr Hinweisen. Manche nützlich und manche nicht so nützlich. Von wirklich brauchbaren Informationen bis zu einer Menge Weltverschwörung-Aluhüte war echt alles dabei.
Eine sehr nützliche Sache, die ich lernte, war z.B. auf der Website der Hausverwaltung des Gebäudes. Dort wird die Vermietung von 2500m2 an ein “Bundesministerium” in Treptow als eine Referenz aufgeführt.
Die Hausverwaltung vermietet nur ein Gewerbeobjekt in Treptow. Die Büroräume des Bundesservices in der Heidelberger Straße.
Der Bundesservice verfügt in dem Gebäudekomplex also über insgesamt 2500m2 Fläche — genug für deutlich über 100 Menschen, die dort arbeiten könnten.
Während einer solchen Recherche trudeln aber auch immer eine Menge nutzloser Informationen ein, die dann ausgewertet werden müssen. Ich habe z.B. viele Hinweise zu anderen Firmen in den Gebäuden bekommen. Also habe ich jedes einzelne Unternehmen, das dort einen Briefkasten hat, analysiert. Die Geschäftsführerinnen und Jahresabschlüsse recherchiert, versucht zu verstehen, was die da eigentlich machen und wie lange schon. Ob irgendwer mal über sie berichtet hat und so weiter.
Und ja, einige der Firmen in dem Gebäudekomplex sind schon verdammt komisch. Da gibt es z.B. Glasfaserkabelhersteller, Testroboter für Geldautomaten oder Firmen, bei denen man beim durchlesen der Website überhaupt nicht versteht, was die denn nun tun.
Das Ding ist, das kann man in Berlin an jedem zweiten Bürogebäude genau so finden. Firmen haben ein unglaubliches Talent dafür, richtig unseriös zu wirken. Also komische Websites zu haben, ihre Jahresabschlüsse kryptisch aussehen zu lassen oder Geschäftsführer zu haben, über die man einfach nichts herausfindet. Probiert das mal aus! Sucht euch ein beliebiges Bürogebäude in Berlin und geht so lange Firmen durch, bis ihr denkt: “Ja, das ist garantiert ein Geheimdienst”.
Jedenfalls bin ich irgendwann, nach einigen Verdachtsmomenten zu dem Schluss gekommen: “Wahrscheinlich sind die anderen Mieter einfach komische — normale — Berliner Firmen. Das was wohl von den Hipster-Agenturen der späten 2010er so übrig geblieben ist”.
Relativ schnell gab es auch auf Plattformen wie Reddit Menschen, die erwähnten, dass sie im selben Gebäude arbeiten und dass das dort der Bundesnachrichtendienst (BND) sei. Leider ohne weitere Belege.
Und irgendwie passte das alles auch nicht zum BND…
Quelle: Weiterlesen: https://lilithwittmann.medium.com/bundesservice-telekommunikation-enttarnt-dieser-geheimdienst-steckt-dahinter-cd2e2753d7ca
Quelle: Twitter: https://twitter.com/LilithWittmann/status/1485626775057141766